Maserati GranTurismo Folgore – Italienischer Luxus-GT im Elektro-Zeitalter

Maserati. Dieser Name steht für Grandezza, für das dramatische Crescendo eines V8-Motors und für die eleganteste Art, einen Kontinent zu durchqueren. Nun schlägt die Marke mit dem Dreizack ihr erstes elektrisches Kapitel auf: der GranTurismo Folgore (“Blitz”). Die Herausforderung ist monumental. Es geht nicht nur darum, ein schnelles E-Auto zu bauen. Es geht darum, die Seele, den Klang und das Charisma eines italienischen Gran Turismo in die stille, digitale Welt der Elektronen zu übertragen. Um dies zu erreichen, geht Maserati einen völlig eigenen, unkonventionellen Weg – mit drei Motoren, einer einzigartigen Batterie-Anordnung und einem künstlichen Sound, der polarisiert. Ist das Ergebnis ein echter Maserati?

Der Kompromiss im Herzen: Das “T-Bone”-Batterie-Layout

Anders als Porsche oder Audi mit ihren flachen “Skateboard”-Plattformen teilt sich der Folgore seine Grundarchitektur mit den Verbrenner-Versionen des GranTurismo. Um die für einen GT essenzielle, tiefe Sitzposition und die elegante Silhouette zu erhalten, konnten die Ingenieure die Batterie nicht einfach flach im Unterboden platzieren. Die Lösung ist ein sogenanntes “T-Bone”-Layout: Die Batteriemodule sind im Mitteltunnel (wo sonst die Kardanwelle verläuft) und hinter den Rücksitzen angeordnet.

Der Ingenieur-Kompromiss ist hier fundamental: Man gewinnt eine authentische, tiefe Sportwagen-Sitzposition und bewahrt die klassischen GT-Proportionen. Man opfert dafür aber die Vorteile einer reinen E-Plattform: Der Schwerpunkt des Fahrzeugs liegt etwas höher als bei einem Porsche Taycan, der Kofferraum ist mit 270 Litern für einen GT eher klein, und es gibt keinen Frunk.

Der Antrieb: Drei Motoren für brachiale Kraft und intelligentes Torque Vectoring

Der Antrieb des Folgore ist eine technische Meisterleistung. Er nutzt drei Elektromotoren – einen an der Vorderachse und zwei an der Hinterachse, die jeweils ein Hinterrad separat antreiben. Dies ermöglicht ein extrem präzises, echtes Torque Vectoring. Die Systemleistung beträgt beeindruckende 560 kW (761 PS) im Normalbetrieb, mit einem Overboost-Modus “Max Boost”, der kurzzeitig bis zu 610 kW (830 PS) freisetzt.

Das Ergebnis ist eine Beschleunigung, die den Atem raubt. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt in nur 2,7 Sekunden. Dank des intelligenten Allradantriebs und des Torque Vectorings bringt der 2,26 Tonnen schwere GT seine Kraft auch in Kurven erstaunlich gut auf die Straße. Er fühlt sich agil und erstaunlich leichtfüßig an, auch wenn er nicht ganz die messerscharfe Präzision eines leichteren Porsche Taycan erreicht.

Reichweite und Laden: 800 Volt mit Verbesserungspotenzial

Der Folgore nutzt eine 800-Volt-Architektur, die schnelles Laden verspricht. Die Batterie hat eine Bruttokapazität von 92,5 kWh, von denen 83 kWh netto nutzbar sind – ein im Vergleich zur Konkurrenz eher bescheidener Wert.

Technische DatenMaserati GranTurismo FolgorePorsche Taycan Turbo
Akkukapazität (netto)83 kWh97 kWh
Architektur800 Volt800 Volt
Max. Ladeleistung (DC)270 kW320 kW
Ladezeit 10-80% (DC)ca. 18 minca. 18 min
Reichweite (WLTP)bis 455 kmbis 630 km
Leistung (Boost)610 kW / 830 PS650 kW / 884 PS
0-100 km/h2,7 s2,7 s
Preis (ab ca.)200.000 €175.600 €

Die offizielle WLTP-Reichweite von bis zu 455 km ist für ein Auto dieser Preis- und Leistungsklasse enttäuschend. In der Praxis muss man bei gemischter, aber zurückhaltender Fahrweise mit rund 350 bis 380 Kilometern rechnen. Auf der Autobahn bei 130 km/h sinkt die Reichweite schnell auf unter 300 Kilometer.

Die Stärke liegt jedoch im Laden. Dank der 800-Volt-Technik kann der Folgore mit bis zu 270 kW laden. Ein Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent ist unter idealen Bedingungen in nur 18 Minuten erledigt. Das ist ein absoluter Spitzenwert und kompensiert die geringere Reichweite auf der Langstrecke teilweise, erfordert aber eine häufigere und diszipliniertere Ladeplanung als bei einem Taycan oder Lucid Air.

Tipp von Alex Wind: Der künstlich erzeugte “Motorsound” des Folgore ist einer der besten auf dem Markt. Er basiert auf den echten Frequenzen der Elektromotoren, wird digital verstärkt und über Innen- und Außenlautsprecher wiedergegeben. Es klingt nicht wie ein V8, sondern wie ein futuristisches, kraftvolles Surren, das dem Fahrer eine emotionale Rückmeldung zur Leistungsabgabe gibt, ohne aufdringlich zu sein.

Fazit: Ein faszinierender, aber unvollkommener Charakterdarsteller

Ist der GranTurismo Folgore ein echter Maserati? Ja, ohne Zweifel. Er ist atemberaubend schön, extrem schnell und bietet ein Maß an Luxus und Exklusivität, das ihn klar von der deutschen Konkurrenz abhebt. Das Fahrgefühl ist emotional und involvierend, und er ist ein fantastischer Gran Turismo für alle, die Design und Charakter über das letzte Quäntchen an Effizienz oder Reichweite stellen.

Doch der Folgore ist auch ein Auto der Kompromisse. Die geteilte Plattform fordert ihren Tribut bei Raumangebot und Reichweite. Er ist kein rationales Auto. Er ist kein Konkurrent für einen Tesla Model S Plaid, der in fast jeder messbaren Disziplin überlegen ist. Er ist ein Statement. Ein extrem schnelles, wunderschönes und technologisch faszinierendes Luxus-Coupé, das beweist, dass die italienische Seele auch im Elektrozeitalter einen Weg findet, sich auszudrücken – auch wenn dieser Weg nicht der effizienteste ist.

Maserati GranTurismo

Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von Voltfokus.de und Chefredakteur des Mediennetzwerks, zu dem auch HH-AUTO gehört. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit Spezialisierung auf alternative Antriebe und Batterietechnologie bringt er über 10 Jahre Branchenerfahrung in seine Analysen ein. Bei Voltfokus.de teilt er seine Expertise in fundierten Tests, Ratgebern und technischen Berichten rund um die Elektromobilität.