Volvo EX30 – Kompakt, sicher und nachhaltig?

Volvo stand jahrzehntelang für große, sichere und etwas biedere Kombis und SUVs. Mit dem neuen EX30 wirft die schwedische Marke dieses Image über Bord und wagt einen radikalen Schritt. Er ist der kleinste, der schnellste und der nachhaltigste Volvo aller Zeiten – und das alles zu einem erstaunlich günstigen Einstiegspreis, der das Premium-Segment für eine völlig neue, jüngere Käuferschaft öffnen soll. Doch der Angriff auf den Massenmarkt hat seinen Preis. Der EX30 bricht radikal mit automobilen Traditionen, vor allem im Innenraum. Ist das der geniale Wurf, der die Marke in die Zukunft katapultiert, oder ein Kompromiss zu viel? Wir haben den Volvo EX30 im ausführlichen Test.

Design und Nachhaltigkeit: Eindeutig Volvo, aber neu gedacht

Äußerlich ist der EX30 sofort als Mitglied der Volvo-Familie zu erkennen. Die geschlossene Front, die aufrechten Heckleuchten und die markanten “Thors Hammer”-LED-Scheinwerfer sprechen eine klare Designsprache. Doch die kompakten Abmessungen und die verspielteren Proportionen verleihen ihm eine urbane Agilität, die man von den größeren Modellen nicht kennt.

Die wahre Revolution findet jedoch bei den Materialien statt. Der EX30 ist das Volvo-Modell mit dem bisher kleinsten CO2-Fußabdruck. Rund 25 Prozent des Aluminiums und 17 Prozent des Stahls und der Kunststoffe sind recycelt. Im Innenraum verzichtet Volvo komplett auf Leder und setzt stattdessen auf innovative, nachhaltige Materialien wie gewebten Flachs, recycelten Denim und eine Wolle-Mischung. Das sieht nicht nur gut aus, sondern fühlt sich auch hochwertig an und unterstreicht den progressiven Charakter des Fahrzeugs.

Der radikale Innenraum: Genial einfach oder einfach nur leer?

Betritt man den EX30, ist der erste Eindruck: Leere. Es gibt kein klassisches Fahrerdisplay hinter dem Lenkrad. Es gibt kein Handschuhfach an der gewohnten Stelle. Es gibt keine Lautsprecher in den Türen und die Fensterheber sitzen in der Mittelkonsole. Alle Fahrinformationen – Geschwindigkeit, Reichweite, Navigation – werden ausschließlich auf einem zentralen, hochformatigen 12,3-Zoll-Tablet angezeigt.

Dieses radikale “Single Screen”-Konzept, das stark an Tesla erinnert, ist der am meisten diskutierte Aspekt des EX30.

  • Die Vorteile: Der Innenraum wirkt extrem aufgeräumt, luftig und modern. Die Reduzierung von Bauteilen senkt die Produktionskosten und verbessert die CO2-Bilanz. Die Soundbar, die sich über die gesamte Breite des Armaturenbretts zieht, liefert einen überraschend guten Klang.
  • Die Nachteile: Der ständige, kurze Blick zur Seite auf den Tacho erfordert Eingewöhnung und kann ablenken. Einfachste Funktionen, wie die Verstellung der Außenspiegel, erfordern mehrere Klicks in Untermenüs des Touchscreens.

Der Ingenieur-Kompromiss: Volvo hat bewusst die physische Komplexität des Innenraums reduziert, um den EX30 zu einem attraktiven Preis anbieten zu können und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Man gewinnt einen günstigen Einstieg in die Premium-Welt und ein cleanes Design, opfert dafür aber die über Jahrzehnte gelernte automobile Ergonomie. Ob man diesen Tausch akzeptiert, ist eine rein persönliche Entscheidung.

Antriebe und Reichweite: Sparfuchs oder Sportler?

Der EX30 basiert auf der SEA-Plattform des Mutterkonzerns Geely und wird in zwei Hauptvarianten angeboten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Technische DatenSingle Motor Extended RangeTwin Motor Performance
Akkukapazität (netto)64 kWh (NMC)64 kWh (NMC)
Max. Ladeleistung (DC)153 kW153 kW
Ladezeit 10-80% (DC)ca. 26 minca. 26 min
Reichweite (WLTP)bis 476 kmbis 450 km
Leistung200 kW / 272 PS315 kW / 428 PS
0-100 km/h5,3 s3,6 s
Preis (ab ca.)41.790 €48.490 €

Die Variante “Single Motor Extended Range” ist die vernünftigste und für die meisten Käufer beste Wahl. Der Heckantrieb sorgt für agiles Fahrverhalten und der Verbrauch ist mit rund 17 kWh/100 km im realen Mix sehr gut. Man kann mit einer realistischen Sommer-Reichweite von rund 400 Kilometern rechnen. Die “Twin Motor Performance”-Version ist mit einem Sprintwert von 3,6 Sekunden der schnellste Volvo aller Zeiten – eine fast absurde Leistung für ein so kompaktes SUV, die im Alltag kaum abrufbar ist, aber den technologischen Anspruch unterstreicht.

Wie sicher ist der kleinste Volvo?

In einer Disziplin macht der EX30 keine Kompromisse: bei der Sicherheit. Er ist vollgepackt mit den neuesten Assistenzsystemen, die man von einem modernen Volvo erwartet. Eine Besonderheit ist der serienmäßige Ausstiegs-Assistent: Er erkennt per Radar von hinten nahende Radfahrer oder Roller und warnt akustisch und visuell, bevor man die Tür öffnet, um “Dooring”-Unfälle zu vermeiden. Auch die Fahrer-Aufmerksamkeits-Warnung, die mittels Sensoren und einer Kamera am Lenkrad Müdigkeit oder Ablenkung erkennt, ist serienmäßig an Bord.

Fazit: Ein mutiger Wurf, der starke Meinungen provoziert

Der Volvo EX30 ist eines der interessantesten Elektroautos auf dem Markt, aber er ist kein Auto für jedermann. Er bietet ein fantastisches Paket aus Design, Nachhaltigkeit, Sicherheit und, im Falle der Performance-Version, atemberaubender Leistung zu einem extrem wettbewerbsfähigen Preis. Er ist ein klares und verlockendes Angebot.

Doch man muss bereit sein, sich auf sein radikal reduziertes Bedienkonzept einzulassen. Wer ein klassisches Auto-Cockpit mit Tacho vor der Nase und physischen Knöpfen erwartet, wird mit dem EX30 nicht glücklich werden. Wer jedoch ein Smartphone auf Rädern sucht und den minimalistischen Ansatz als modern und befreiend empfindet, findet hier ein fast unschlagbares Angebot. Der EX30 ist weniger ein Auto, das man mit dem Kopf kauft, sondern eines, bei dem man mit dem Herzen und der persönlichen Philosophie entscheidet.

Volvo EX30

Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von Voltfokus.de und Chefredakteur des Mediennetzwerks, zu dem auch HH-AUTO gehört. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit Spezialisierung auf alternative Antriebe und Batterietechnologie bringt er über 10 Jahre Branchenerfahrung in seine Analysen ein. Bei Voltfokus.de teilt er seine Expertise in fundierten Tests, Ratgebern und technischen Berichten rund um die Elektromobilität.