“Hot Hatch” – dieses magische Wort stand jahrzehntelang für kompakte, leichte und unverschämt unterhaltsame Sportwagen für den Alltag. GTI, RS, Cupra – die Ahnenreihe ist legendär. Doch im Elektrozeitalter schien diese Fahrzeuggattung vom Aussterben bedroht, oft ersetzt durch schwere, auf reinen Längsdruck optimierte E-SUVs. Die französische Sportwagenschmiede Alpine tritt nun an, um diese Lücke zu füllen. Sie haben den charmanten, bereits von uns getesteten Renault 5 E-Tech genommen und ihn nach allen Regeln der Sportfahrer-Kunst nachgeschärft. Das Ergebnis ist der Alpine A290. Die Mission: zu beweisen, dass die pure, ungefilterte Fahrfreude eines Hot Hatch auch rein elektrisch möglich ist.
Mehr als nur ein Renault: Die Alpine-DNA im Detail
Der A290 ist weit mehr als nur ein Renault 5 mit mehr Leistung. Alpine hat tiefgreifende technische Änderungen vorgenommen, um den Charakter des Fahrzeugs zu verändern. Die Karosserie wurde verbreitert, was dem A290 eine deutlich muskulösere und aggressivere Statur verleiht. Die X-förmigen Zusatzscheinwerfer sind eine direkte Hommage an die abgeklebten Rallye-Scheinwerfer klassischer Alpine-Modelle.
Die wahre Magie liegt jedoch im Fahrwerk. Der A290 verfügt über ein komplett eigenständiges Sportfahrwerk mit hydraulischen Anschlägen, spezifischen Stabilisatoren und einem leichteren Aluminium-Vorderachsträger. Die aufwendige Mehrlenker-Hinterachse, bereits eine Stärke des Renault 5, wurde für mehr Agilität neu abgestimmt. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Balance: Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel, und filtert Unebenheiten erstaunlich souverän heraus. Die Lenkung ist spürbar direkter und kommunikativer als im Renault 5.
Leistung und Fahrdynamik: Agilität vor brutaler Kraft
Alpine bietet den A290 in zwei Leistungsstufen an, die beide auf der 52-kWh-Batterie des Renault 5 basieren. Die von uns getestete Top-Version “GTS” leistet 160 kW (218 PS) und 300 Nm Drehmoment. Damit beschleunigt der rund 1.550 kg schwere Kompaktsportler in 6,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
| Technische Daten | A290 GT (180 PS) | A290 GTS (220 PS) |
| Akkukapazität (netto) | 52 kWh | 52 kWh |
| Max. Ladeleistung (DC) | 100 kW | 100 kW |
| Ladezeit 10-80% (DC) | ca. 30-33 min | ca. 30-33 min |
| Reichweite (WLTP) | bis 380 km | bis 380 km |
| Leistung | 130 kW / 177 PS | 160 kW / 218 PS |
| 0-100 km/h | 7,4 s | 6,4 s |
| Preis (ab ca.) | 38.700 € | 44.200 € |
Im Vergleich zu den 3-Sekunden-Sprints vieler E-SUVs wirkt das fast schon bescheiden. Doch Alpine hat bewusst nicht auf maximale Längsbeschleunigung, sondern auf Agilität und Fahrspaß gesetzt. Der A290 ist kein “Drag Racer”, sondern ein Kurvenräuber. Dank der Torque-Vectoring-Funktion und den speziell entwickelten Michelin Pilot Sport 5 Reifen lässt er sich mit spielerischer Leichtigkeit und hoher Präzision durch enge Kehren dirigieren. Der rote “OV” (Overtake)-Knopf am Lenkrad schaltet für 10 Sekunden die volle Leistung frei – eine Anspielung auf die Formel 1.
Der Ingenieur-Kompromiss: Die sportlicheren, breiteren Reifen mit ihrer weicheren Gummimischung haben einen höheren Rollwiderstand als die Effizienz-Reifen des Renault 5. Man gewinnt deutlich mehr Grip und Kurvenstabilität, opfert dafür aber etwas an Reichweite. Statt über 400 km wie beim Renault, liegt die offizielle WLTP-Reichweite des A290 bei rund 380 Kilometern.
Reichweite und Laden im Realitäts-Check
Mit der 52-kWh-Batterie ist der A290 primär für die Landstraße und den urbanen Raum konzipiert, nicht für die Langstrecken-Jagd. Im realen Alltagsbetrieb sind je nach Fahrweise 300 bis 320 Kilometer eine realistische Größe. Wer das sportliche Potenzial des Wagens ausnutzt, muss eher mit 250 bis 280 Kilometern rechnen.
Die DC-Ladeleistung ist mit maximal 100 kW klassenüblich, aber nicht herausragend. Ein Ladevorgang von 15 auf 80 Prozent dauert rund 30 Minuten. Das ist ausreichend, um die Pässe in den Alpen zu erklimmen, erfordert auf längeren Autobahnetappen aber Geduld. Eine serienmäßige Wärmepumpe und eine Batterievorkonditionierung via Navi sorgen für verlässliche Ladezeiten.
Tipp von Alex Wind: Der A290 bietet mit “Alpine Telemetrics” ein faszinierendes Feature für Technik-Liebhaber. Ähnlich wie in einem Rennwagen können Sie Live-Daten zu Beschleunigung, G-Kräften oder der Leistungsabgabe des Motors anzeigen und sogar Coaching-Tipps für die Rennstrecke erhalten.
Fazit: Die elektrische Fahrspaß-Maschine ist da
Der Alpine A290 ist ein voller Erfolg. Er ist der überzeugende Beweis, dass die Kernwerte eines klassischen Hot Hatch – Agilität, direktes Fahrgefühl und ein hoher Spaßfaktor – auch im Elektrozeitalter möglich sind. Er ist spürbar mehr als nur ein leistungsgesteigerter Renault 5. Die tiefgreifenden Änderungen an Fahrwerk, Lenkung und Software schaffen ein eigenständiges, sportlicheres und emotionaleres Fahrerlebnis.
Er ist nicht das reichweitenstärkste oder am schnellsten ladende E-Auto. Aber er ist in seiner Preisklasse vielleicht das unterhaltsamste. Für alle, die Fahrspaß nicht in reiner Längsbeschleunigung, sondern in der perfekt genommenen Kurve suchen, ist der Alpine A290 die lang ersehnte, elektrische Wiedergeburt einer legendären Fahrzeuggattung.
































