Jahrelang schien es, als hätte die Automobilindustrie eine der wichtigsten und treuesten Käufergruppen in Deutschland vergessen: die Kombi-Fahrer. Während ein elektrisches SUV nach dem anderen auf den Markt kam, blieb die Auswahl an praktischen, batteriebetriebenen Kombis erschreckend gering. Opel bricht nun als erster deutscher Volumenhersteller diese Lücke auf und bringt mit dem Astra Electric Sports Tourer genau das Auto, auf das viele gewartet haben. Ein klassischer, unaufgeregter Kompakt-Kombi, der statt eines Benzin- oder Dieseltanks einen Akku im Bauch trägt. Doch basiert der E-Astra auf einer Multi-Antriebs-Plattform, die auch Verbrenner beherbergt. Ist er die perfekte, pragmatische Lösung für umsteigewillige Kombi-Fans oder ein Kompromiss auf Rädern?
Das Konzept: Endlich wieder ein Kombi!
Das vielleicht stärkste Verkaufsargument des Astra Electric Sports Tourer ist seine Normalität. Er sieht exakt so aus wie seine Brüder mit Verbrennungsmotor. Das scharfe “Vizor”-Frontdesign, die klaren Linien, die klassischen Kombi-Proportionen – hier muss sich niemand an ein futuristisches “Raumschiff-Design” gewöhnen. Für viele konservativere Käufer, die einfach nur einen praktischen Kombi ohne Emissionen wollen, ist genau dieser unaufgeregte Auftritt ein Segen. Er ist kein Statement, er ist ein Werkzeug.
Der entscheidende Faktor: Kofferraum und Praktikabilität
Ein Kombi wird über seinen Kofferraum definiert. Hier liefert der Astra Electric ab. Mit 516 Litern im Normalzustand und bis zu 1.553 Litern bei umgeklappten Rücksitzen bietet er zwar etwas weniger Volumen als der Verbrenner-Astra (597 Liter), aber immer noch reichlich Platz für den Familienalltag. Wichtiger ist: Der Kofferraum ist gut nutzbar, mit einer niedrigen Ladekante und einer breiten Öffnung. Im direkten Vergleich zu vielen SUV-Konkurrenten wie dem VW ID.4 (543 Liter) muss er sich beim Basis-Volumen kaum verstecken.
Der Antrieb: Effizienz statt exzessiver Leistung
Opel verfolgt beim Antrieb eine klare “Right-Sizing”-Strategie. Statt auf Wettrüsten bei der Leistung zu setzen, fokussiert man sich auf maximale Effizienz. Der aus anderen Stellantis-Modellen bekannte Elektromotor leistet 115 kW (156 PS) und 270 Nm Drehmoment. Das klingt im Zeitalter der 400-PS-E-SUVs bescheiden, ist im Alltag aber mehr als ausreichend. Der Antritt ist E-Auto-typisch spontan, die Beschleunigung bis zum Stadttempo flott und auf der Autobahn schwimmt der Astra souverän mit. Er ist keine Rakete, sondern ein unaufgeregter und extrem leiser Gleiter.
Diese Zurückhaltung bei der Leistung zahlt sich beim Verbrauch aus. Der Astra Electric gehört zu den sparsamsten Autos seiner Klasse. Der offizielle WLTP-Verbrauch liegt bei nur 14,8 kWh/100 km. Im ADAC Ecotest wurde ein exzellenter Realverbrauch von 16,5 kWh/100 km ermittelt.
Reichweite und Laden: Der Kompromiss der Multi-Energie-Plattform
Die Effizienz ist die eine Seite der Medaille, die Akkugröße und Ladeleistung die andere. Hier zeigt sich der Kompromiss der EMP2-Plattform. Der Akku hat eine Kapazität von 54 kWh brutto, von denen 51 kWh netto nutzbar sind.
| Technische Daten | Astra Electric Sports Tourer |
| Akkukapazität (netto) | 51 kWh |
| Max. Ladeleistung (DC) | 100 kW |
| Ladezeit 10-80% (DC) | ca. 30 min |
| Reichweite (WLTP) | bis 413 km |
| Leistung | 115 kW / 156 PS |
| Kofferraumvolumen | 516 – 1.553 Liter |
| Preis (ab ca.) | 43.490 € |
Die offizielle WLTP-Reichweite von bis zu 413 km übersetzt sich in der Praxis in solide Werte für den Alltag. Im Sommer sind bei gemischter Fahrweise realistische 330 bis 350 Kilometer möglich. Im reinen Stadtverkehr sind dank des niedrigen Verbrauchs sogar über 450 km denkbar. Im Winter auf der Autobahn muss man sich jedoch auf deutlich weniger einstellen, hier liegt die realistische Reichweite eher bei rund 220 Kilometern.
Die größte Schwäche ist die maximale DC-Ladeleistung von nur 100 kW. Zwar wird der Akku unter idealen Bedingungen in rund 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen, doch im Vergleich zu modernen 800-Volt-Systemen oder selbst den MEB-Modellen von VW ist das nicht mehr zeitgemäß. Für den Alltagslader, der primär zu Hause lädt, ist das kein Problem. Für den Vielfahrer, der oft auf schnelle Autobahn-Ladestopps angewiesen ist, bedeutet es längere Pausen.
Tipp von Alex Wind: Der Astra Electric verfügt serienmäßig über eine Wärmepumpe, was im Winter hilft, den Reichweitenverlust durch das Heizen zu minimieren. Zudem ist das serienmäßige 11-kW-AC-Ladegerät ein Vorteil gegenüber einigen Konkurrenten, die hier oft nur mit geringerer Leistung laden können.
Fazit: Eine pragmatische, aber nicht perfekte Lösung für Kombi-Fans
Der Opel Astra Electric Sports Tourer ist ein zutiefst ehrliches und pragmatisches Auto. Er versucht nicht, ein Sportwagen oder ein Technologie-Wunder zu sein. Er ist das, was viele vermisst haben: ein grundsolider, praktischer und effizienter Kompakt-Kombi für den Familienalltag, nur eben mit Elektroantrieb.
Seine Stärken sind sein unaufgeregtes Design, seine hohe Effizienz und seine gute Raumausnutzung. Seine Schwächen – die moderate Reichweite und die langsame DC-Ladeleistung – sind der direkte Tribut an die Multi-Energie-Plattform.
Für den klassischen Kombi-Fahrer, der täglich zur Arbeit pendelt, am Wochenende den Wocheneinkauf erledigt und primär zu Hause an der Wallbox lädt, ist der Astra Electric eine exzellente und lang ersehnte Wahl. Er ist die vernünftige elektrische Alternative zum SUV-Trend. Wer jedoch regelmäßig lange Strecken fährt und auf minimale Ladezeiten angewiesen ist, wird mit einem Modell auf einer dezidierten E-Plattform glücklicher werden.









