Wasserstoff vs. Batterie: Warum sich das E-Auto im Pkw-Sektor durchgesetzt hat

Es ist die große Systemfrage der emissionsfreien Mobilität: Setzt sich das batterieelektrische Auto (BEV) durch oder gehört die Zukunft dem Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeug (FCEV)? Auf den ersten Blick hat Wasserstoff einen unschlagbaren Charme: Tanken in fünf Minuten, hohe Reichweiten und als einziges “Abgas” sauberer Wasserdampf. Jahrelang wurde es als die überlegene Lösung für die Langstrecke gehandelt. Doch im Jahr 2025 ist die Realität eine andere. Während Hunderttausende Batterie-E-Autos die Straßen erobern, bleibt das Wasserstoffauto eine exotische Nischenerscheinung. Der Grund dafür ist keine Verschwörung, sondern knallharte Physik und Ökonomie.

Der entscheidende Faktor: Der “Well-to-Wheel”-Wirkungsgrad

Um zu verstehen, warum sich das batterieelektrische Auto im Pkw-Sektor durchsetzt, muss man die gesamte Energiekette vom “Well-to-Wheel” (von der Quelle bis zum Rad) betrachten. Wie viel von der ursprünglich erzeugten Energie kommt tatsächlich auf der Straße an?

Der Weg des Stroms ins Batterie-Auto (BEV)

  1. Stromerzeugung & Transport: Aus 100 kWh erneuerbarer Energie (z.B. Windkraft) kommen nach Verlusten im Stromnetz ca. 95 kWh am Ladepunkt an.
  2. Laden & Entladen: Beim Laden und anschließenden Nutzen der Energie im Akku gehen weitere ca. 10% verloren. Am Motor kommen ca. 85 kWh an.
  3. Antrieb: Der Elektromotor wandelt diese Energie hocheffizient in Bewegung um (ca. 95% Wirkungsgrad).
  4. Ergebnis: Von den ursprünglichen 100 kWh Energie kommen ca. 70-80 kWh tatsächlich auf der Straße an. Der Gesamtwirkungsgrad liegt bei 70-80%.

Der Weg des Stroms ins Wasserstoff-Auto (FCEV)

  1. Stromerzeugung & Elektrolyse: Man startet mit den gleichen 100 kWh erneuerbarer Energie. Diese werden nun genutzt, um Wasser (H₂O) per Elektrolyse in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff zu spalten. Allein bei diesem Schritt gehen rund 30% der Energie verloren. Übrig bleiben ca. 70 kWh in Form von “grünem” Wasserstoff.
  2. Kompression, Kühlung, Transport: Der gasförmige Wasserstoff muss nun unter extrem hohem Druck (700 bar) komprimiert, gekühlt und zur Tankstelle transportiert werden. Dies kostet weitere 15-20% der Energie. Übrig bleiben ca. 55 kWh.
  3. Brennstoffzelle im Auto: Im Fahrzeug wird der Wasserstoff in der Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt, um den E-Motor anzutreiben. Die Brennstoffzelle selbst hat einen Wirkungsgrad von nur etwa 60%. Übrig bleiben ca. 33 kWh.
  4. Ergebnis: Von den ursprünglichen 100 kWh Energie kommen nur ca. 25-35 kWh tatsächlich auf der Straße an. Der Gesamtwirkungsgrad liegt bei nur 25-35%.

Der Ingenieur-Kompromiss ist brutal: Man muss für die gleiche Strecke die zwei- bis dreifache Menge an Primärenergie (also Windräder und Solaranlagen) aufwenden, um ein Wasserstoffauto zu betreiben, im Vergleich zu einem Batterie-E-Auto. Aus rein physikalischer Sicht ist dies eine immense Energieverschwendung.

Das Henne-Ei-Problem: Die Infrastruktur

Die Theorie wird von der Praxis untermauert. Während das Netz an E-Ladesäulen in Deutschland exponentiell wächst und Ende 2025 über 100.000 öffentliche Ladepunkte umfasst, stagniert das Wasserstoff-Tankstellennetz. Schlimmer noch: Aufgrund mangelnder Nachfrage im Pkw-Sektor wird es sogar zurückgebaut.

  • E-Ladesäulen in Deutschland (2025): > 100.000, Tendenz stark steigend. Hinzu kommt die wichtigste Ladesäule von allen: die eigene Steckdose oder Wallbox zu Hause.
  • Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland (2025): Weniger als 90, Tendenz fallend. Der Betreiber H2 Mobility hat bereits die Schließung von über 20 unrentablen Pkw-Tankstellen angekündigt, um sich auf den Schwerlastverkehr zu konzentrieren.

Die Realität am Markt: Kaum Angebot, keine Nachfrage

Während Kunden aus hunderten von BEV-Modellen wählen können, ist das Angebot an Wasserstoff-Pkw verschwindend gering. Weltweit gibt es nur zwei nennenswerte Serienmodelle: den Toyota Mirai und den Hyundai Nexo. Viele große Hersteller wie VW oder Stellantis haben ihre Entwicklungsprogramme für Wasserstoff-Pkw inzwischen eingestellt oder stark zurückgefahren. Selbst BMW, einer der letzten Verfechter der Technologie, plant ein mögliches Serienmodell erst für 2028 und sieht es eher als Ergänzung in der Oberklasse.

Wo Wasserstoff dennoch eine entscheidende Zukunft hat

Die Niederlage im Pkw-Sektor bedeutet nicht das Ende für Wasserstoff. Im Gegenteil: In Bereichen, wo extrem hohe Energiedichten, schwere Lasten und schnelle Betankungszeiten wichtiger sind als der reine Wirkungsgrad, ist Wasserstoff die überlegene Lösung und für die Energiewende unverzichtbar.

  • Schwerlastverkehr: Für Langstrecken-Lkw und Busse sind schwere Batterien und lange Ladezeiten keine Option. Hier ist die Brennstoffzelle (oder der Wasserstoff-Verbrennungsmotor) klar im Vorteil.
  • Schifffahrt und Luftfahrt: Auch hier ist Wasserstoff (oder daraus hergestellte E-Fuels) der einzige realistische Weg zur Dekarbonisierung.
  • Industrie: Bei der Stahl- und Chemieproduktion wird grüner Wasserstoff fossile Brennstoffe ersetzen.

Fazit: Das Urteil im Pkw-Sektor ist gefallen

Die Debatte “Wasserstoff oder Batterie” ist für den Individualverkehr entschieden. Das batterieelektrische Auto hat sich aufgrund seines unschlagbaren Effizienzvorteils, der bereits vorhandenen und leicht ausbaubaren Ladeinfrastruktur und des enormen Engagements der gesamten Automobilindustrie durchgesetzt.

Wasserstoff ist ein extrem wertvoller und wichtiger Energieträger für die Energiewende – aber er ist zu aufwendig in der Herstellung und zu kostbar, um ihn ineffizient für die Fortbewegung von 1,5 Tonnen schweren Pkws zu nutzen, wenn es eine direktere und drei Mal effizientere Methode gibt. Die Zukunft des Autos ist elektrisch. Und diese Elektrizität kommt aus der Batterie.

Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von Voltfokus.de und Chefredakteur des Mediennetzwerks, zu dem auch HH-AUTO gehört. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit Spezialisierung auf alternative Antriebe und Batterietechnologie bringt er über 10 Jahre Branchenerfahrung in seine Analysen ein. Bei Voltfokus.de teilt er seine Expertise in fundierten Tests, Ratgebern und technischen Berichten rund um die Elektromobilität.