Eines der überzeugendsten Argumente für den Umstieg auf ein Elektroauto sind die versprochenen, drastisch niedrigeren Wartungskosten. Kein Ölwechsel, kein Auspuff, keine Kupplung – die Liste der entfallenden Verschleißteile ist lang und verlockend. Doch wie groß ist die Ersparnis im Portemonnaie wirklich? Und gibt es neue, versteckte Kostenfaktoren, die man als E-Auto-Fahrer auf dem Zettel haben muss? Wir zerlegen die Service-Rechnungen, vergleichen ein E-Auto direkt mit einem Benziner und zeigen, wo das Sparpotenzial am größten ist – und wo Vorsicht geboten ist.
Warum E-Autos grundsätzlich wartungsärmer sind
Die technische Überlegenheit des E-Antriebs liegt in seiner Einfachheit. Während ein moderner Verbrennungsmotor aus rund 2.000 beweglichen Teilen besteht, kommt ein Elektromotor mit nur etwa 200 aus. Weniger Teile bedeuten weniger Reibung, weniger Verschleiß und weniger, was kaputtgehen kann.
Folgende wartungsintensive und teure Bauteilgruppen eines Verbrenners existieren bei einem reinen Elektroauto schlichtweg nicht:
- Ölkreislauf: Kein Motoröl, kein Ölfilter, kein jährlicher Ölwechsel.
- Abgasanlage: Kein Auspuff, kein Katalysator, kein Partikelfilter, keine Lambdasonde.
- Kraftstoffsystem: Kein Kraftstofffilter, keine Einspritzdüsen.
- Verschleißteile am Motor: Keine Zündkerzen, kein Zahnriemen, keine Lichtmaschine, kein Anlasser.
- Kupplung und Getriebe: E-Autos haben ein simples 1-Gang-Getriebe ohne verschleißanfällige Kupplung.
Allein der Wegfall des jährlichen Ölwechsels und der dazugehörigen Filter spart bereits 100 bis 300 Euro pro Jahr.
Der größte Sparfaktor: Bremsen, die fast ewig halten
Der vielleicht größte Kostenvorteil im Bereich Verschleiß liegt bei den Bremsen. Durch die Rekuperation – also die Energierückgewinnung, bei der der E-Motor als Bremse agiert – werden die mechanischen Radbremsen im Alltag kaum noch beansprucht. Bei vorausschauender Fahrweise erfolgen 80-90% aller Verzögerungen rein elektrisch. Das Resultat: Bremsbeläge und -scheiben, die bei einem Verbrenner oft schon nach 60.000 bis 80.000 Kilometern fällig sind, halten bei einem E-Auto nicht selten das Doppelte oder sogar über 200.000 Kilometer. Ein kompletter Bremsenwechsel kann leicht 800 bis 1.500 Euro kosten – eine Ersparnis, die sich über die Haltedauer deutlich bemerkbar macht.
Die Kosten im direkten Vergleich: VW ID.3 vs. VW Golf
Um die Ersparnis zu quantifizieren, vergleichen wir die typischen Inspektions- und Wartungskosten über einen Zeitraum von 6 Jahren bzw. 90.000 Kilometern.
| Service-Posten (über 6 Jahre) | VW ID.3 (E-Auto) | VW Golf (Benziner) |
| 3x Kleine Inspektion (Sichtprüfungen, Innenraumfilter) | ca. 600 € | ca. 900 € |
| 2x Große Inspektion (erweiterte Umfänge) | ca. 450 € | ca. 800 € |
| 6x Ölwechsel inkl. Filter | 0 € | ca. 1.200 € |
| 1x Zündkerzenwechsel | 0 € | ca. 250 € |
| 1x Bremsbeläge & -scheiben vorne/hinten | 0 € (meist nicht fällig) | ca. 1.100 € |
| 3x Bremsflüssigkeitswechsel¹ | ca. 210 € | ca. 210 € |
| Gesamtkosten (ca.) | 1.260 € | 4.460 € |
| Ersparnis E-Auto | – 3.200 € (ca. -72%) |
¹ Die Bremsflüssigkeit muss auch bei E-Autos alle 2 Jahre gewechselt werden, da sie hygroskopisch ist (Wasser zieht) und die Sicherheit beeinträchtigt.
Die Zahlen zeigen: Die Ersparnis bei der planmäßigen Wartung ist enorm. Über diesen Zeitraum spart der ID.3-Fahrer mehr als 3.000 Euro im Vergleich zum Golf-Fahrer.
Was bei der E-Auto-Inspektion trotzdem gemacht wird
Eine Inspektion ist auch für ein E-Auto Pflicht, um die Sicherheit und den Garantieanspruch zu erhalten. Die Werkstatt prüft dabei vor allem sicherheitsrelevante und E-spezifische Komponenten:
- Hochvolt-Batterie und Ladeanschlüsse: Sichtprüfung auf Beschädigungen.
- Fahrwerk und Reifen: Prüfung auf Verschleiß und korrekten Luftdruck.
- Bremsanlage: Sichtprüfung und Wechsel der Bremsflüssigkeit.
- Kühlmittel: Der Kühlkreislauf für Batterie und Elektronik wird geprüft.
- Innenraumfilter: Regelmäßiger Austausch wie beim Verbrenner.
Der versteckte Kostenfaktor: Höherer Reifenverschleiß?
Ein oft genannter Gegenpunkt sind die potenziell höheren Reifenkosten. Aufgrund des höheren Fahrzeuggewichts und des sofort anliegenden, hohen Drehmoments können die Reifen bei E-Autos tatsächlich schneller verschleißen als bei einem vergleichbaren Verbrenner. Je nach Fahrstil kann ein Reifensatz 15-25% früher die Verschleißgrenze erreichen.
Der Ingenieur-Kompromiss: Man erkauft sich die massive Einsparung bei Motor- und Bremsenwartung mit einem potenziell etwas höheren Reifenbudget. Legt man die Kosten um, relativiert sich das Bild jedoch schnell: Ein zusätzlicher Satz Reifen über eine Haltedauer von acht Jahren (ca. 800 €) steht einer Ersparnis von über 3.000 € bei der Wartung gegenüber. Der finanzielle Gesamtvorteil bleibt also klar auf der Seite des Elektroautos. Ein angepasster, sanfter Fahrstil kann den Reifenverschleiß zudem auf das Niveau eines Verbrenners reduzieren.
Fazit: Ein klarer und dauerhafter Kostenvorteil
Die Analyse bestätigt das Versprechen: Elektroautos sind in der Wartung und Instandhaltung fundamental und signifikant günstiger als ihre Verbrenner-Pendants. Die Einsparungen von 50% und mehr sind keine Marketing-Fantasie, sondern das logische Ergebnis einer überlegenen und einfacheren Antriebstechnik. Dieser Kostenvorteil ist neben den geringeren “Treibstoffkosten” der zweite große Pfeiler, der die höheren Anschaffungskosten eines E-Autos über die Haltedauer mehr als kompensiert und die Gesamtbetriebskosten (TCO) senkt.
